Der weltweite Ausbau regenerativer Energien geht schneller voran als von allen Prognosen, beispielsweise der Internationalen Energie-Agentur, vorhergesagt. Grund dafür sind in erster Linie keine politischen Appelle, keine Umweltschutzmaßnahmen oder internationale Übereinkommen, sondern schnöde Ökonomie: Nach dem Preisverfall bei Solarmodulen will es sich kein Land leisten, auf die billige Sonnenenergie zu verzichten.
Der Solarpreis-Revolution folgt nun der zweite Streich der globalen Energiewende: Nach dem Absturz der Solarpanelpreise in China gibt es derzeit einen Preisabsturz von Akkus. Der globale Energiespeichermarkt hat sich im Jahr 2023 fast verdreifacht und damit den bislang größten Zuwachs gegenüber dem Vorjahr verzeichnet, berichtete BloombergNEF im April. „Das Wachstum findet vor dem Hintergrund von Rekordniedrigpreisen statt, insbesondere in China, wo die Kosten für schlüsselfertige Energiespeichersysteme im Februar um 43 Prozent niedriger waren als vor einem Jahr und ein Rekordtief von 115 US-Dollar pro Kilowattstunde für zweistündige Energiespeichersysteme erreichten”, so BloombergNEF weiter.
In einer ohnehin schon günstigen Zeit für die Energiewende wird das die Dynamik in Richtung Erneuerbare noch einmal beschleunigen, insbesondere weil sich günstige Akku-Speicher immer klarer als die beste Antwort auf die fehlende Flexibilität erneuerbarer Energien herausstellen. Reuters berichtete bereits vor fast einem halben Jahr, dass der Preisverfall bei Stromspeichern dazu führe, dass weltweit 68 zunächst geplante Gaskraftwerke nun nicht mehr gebaut würden. Inzwischen wurde unter anderem eine Mega-Batterie in Kalifornien eingeweiht, die rund 680.000 Haushalte mit bis zu vier Stunden Strom versorgen kann. „Batteriespeicher werden in den nächsten Jahren die Energieversorgung in Deutschland umkrempeln und die Kosten der Energiewende senken“, prognostiziert auch Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie & Politik des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (BNE).
Doch nicht nur Großbatterien werden dafür sorgen, die Energiewende zu beschleunigen. Auch privat werden Stromspeicher immer günstiger und beliebter – insbesondere in Kombination mit Solarzellen. In diesem Jahr könnte sich ihre Zahl fast verdoppeln, prognostiziert der Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES). In Schweden, Norwegen und den Niederlanden hat unser Kunde Tibber gerade damit begonnen, Kund*innen dafür zu entlohnen, wenn sie die Akkus ihrer E-Autos dem Stromnetz zur Stabilisierung zur Verfügung stellen. In Deutschland fehlt es dazu noch an der flächendeckenden Smart-Meter-Infrastruktur.
IEA: „Batterien verändern die Spielregeln“
„Der Strom- und der Verkehrssektor sind zwei Schlüsselpfeiler, um die Emissionen schnell genug zu senken, um die auf der COP28 vereinbarten Ziele zu erreichen und die Möglichkeit, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, noch offen zu halten“, sagt Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur (IEA). „Batterien werden die Grundlage in beiden Bereichen bilden und eine unschätzbare Rolle bei der Skalierung erneuerbarer Energien und der Elektrifizierung des Verkehrs spielen – und gleichzeitig sichere und nachhaltige Energie für Unternehmen und Haushalte liefern. Und in den kommenden Jahren wird sie billiger sein als Kohle in China und Gasstrom in den Vereinigten Staaten. Batterien verändern die Spielregeln“. Gerade geht der Trend außerdem zu LFP-Batterien, die mit weniger kritischen Rohstoffe auskommen und zu kobaltarmen NMC-Typen. Eine ausführliche Diskussion der durch Batterien ausgelösten Dynamiken findet ihr auch im X-Thread von Peter Helm. Kürzlich hatte BMW erstmals Umweltprobleme in einer Kobalt-Mine in Marokko eingeräumt.
Im Mobilitätssektor hat der größte Batteriehersteller der Welt, CATL, bereits starke Preissenkungen bei Batteriezellen angekündigt. Mitte 2024 sollen diese nur noch halb so viel kosten wie noch Anfang 2023. 2025 soll der Preis dann nochmals kräftig runtergehen. Neben Akkus bieten auch Wärmespeicher – beispielsweise in Form von Wärmepumpen – das Potenzial, die Netze mit einem hohem Anteil erneuerbarer Energien zu flexibilisieren, wie beispielsweise ein aktuelles Forschungsprojekt des Fraunhofer IEE zeigt.
2023 mehr erneuerbare Energien zugebaut als AKW in 70 Jahren
Auch ansonsten stehen alle Zeichen auf Beschleunigung der Energiewende: Alleine in 2023 wurden mehr Erneuerbare Energien zugebaut, als die Atomenergie in 70 Jahren insgesamt erreicht hat. Gegenüber dem Jahresbeginn hat sich der durchschnittliche Marktwert für den Verkauf des Stroms aus den Photovoltaik-Anlagen in Deutschland an der Strombörse damit in etwa halbiert – mit immer häufigeren Phasen negativer Preise. Bei 65 Prozent lag der Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Strommix im April – und dürfte noch steigen, vermuten Expert*innen.
Unterdessen haben sich die großen Industrienationen (G7) auf ein früheres Ende der Kohleverstromung geeinigt. Deutschland hat sich nach eigenen Angaben besonders dafür eingesetzt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält 80 Prozent Erneuerbare in Deutschland bis 2030 und einen vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung für machbar.
Bei einer schnelleren Energiewende mit 100 Prozent Strom aus regenerativen Quellen bis 2050 würde die globale Wirtschaft laut einer aktuellen Oxford-Studie mindestens zwölf Billionen Euro sparen. Der Grund: Erneuerbare Energien sind heute schon in vielen Fällen die billigste Energie – bis 2050 werden sie es in fast allen Bereichen sein. Insgesamt sieben Länder weltweit versorgen sich laut einer aktuellen Übersicht der Universität Stanford bereits heute 100 Prozent mit erneuerbarer Energie – darunter Albanien.
Forschende der University of Exeter und des University College London sprachen aufgrund der fallenden Kosten bereits im vergangenen Jahr von einem „unumkehrbaren Wendepunkt“ durch die fallenden Kosten der Solarenergie, die diese bis 2050 zur wichtigsten Energiequelle der Welt werden lassen.
Was sollten wir wissen?
OpenAI hat GPT-4o vorgestellt, die nächste Version der berühmtesten künstlichen Intelligenz (KI) der Welt. Die Gedanken des Gründers Sam Altman dazu lassen sich in seinem Blog nachlesen. Zu den beeindruckenden Fähigkeiten der KI gehören zum Beispiel Live-Übersetzungen wie im Video auf X demonstriert, die an den Babelfisch aus der Romanreihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ erinnern. Weitere beeindruckende Beispiele des Könnens hat Min Choi auf X gesammelt.
In Sharamentsa, Ecuador, verändert die Solarenergie das Leben der örtlichen Achuar-Gemeinschaft. Der indigene Anführer Nantu Canelos plante vor über 20 Jahren eine solarbetriebene Beleuchtung für sein Dorf. Solarzellen und Elektroboote haben die Abhängigkeit von Benzin verringert und unterstützen das tägliche Leben und die Gesundheit der Umwelt. Die solarbetriebene Technologie ermöglicht Bildung, Kommunikation und wirtschaftliche Aktivitäten, integriert sich tief in das soziale Gefüge der Gemeinschaft und befähigt sie, ihr kulturelles und ökologisches Erbe nachhaltig zu bewahren. (Washington Post, Paywall)
Der ADAC, Deutschlands mit Abstand größter Automobilclub, bekennt sich klar zur E-Mobilität: „Wenn Klimaschutz und individuelle Mobilität in einem überschaubaren Zeitraum zusammengebracht werden sollen, dann gibt es zur Antriebswende, also zum Umstieg möglichst vieler Menschen auf die Elektromobilität, derzeit keine Alternative“, so Verbandspräsident Christian Reinicke. (ecomento.de)
Seit Jahren steigt die Zahl der neugeborenen Kegelrobben auf Helgoland. Auch in diesem Jahr sind bereits viele Junge zu beobachten. (tagesschau.de)
Weil ihre Lebensräume stark geschrumpft waren, galten Pandas bis vor kurzem als „stark gefährdet“. Inzwischen gibt es in chinesischen Wäldern laut der Forstbehörde aber wieder mehr frei lebende Tiere. (tagesschau.de)
Die Fischbestände an der Oder erholen sich schneller als gedacht. (radioeins.de)
Durch die Klimakrise werden Ernteausfälle, Schädlingsbefall und Trockenheit häufiger. Das lässt laut aktueller Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung die Lebensmittelpreise steigen. (SWR)
Vegetarische und vegane Fleischalternativen werden immer beliebter, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. 2023 wurden 16,6 Prozent mehr Fleischersatzprodukte hergestellt als im Vorjahr. (tagesschau.de)
Der Bundestag hat die umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes beschlossen. Damit muss Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun keine Sofortmaßnahmen mehr für den Verkehrssektor beschließen. (tagesschau.de)
Nahrungsmittel sind in Deutschland nur wenig mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln belastet. Das gilt insbesondere für saisonale Obst- und Gemüsesorten. (tagesschau.de)
DIE ZEIT schreibt über eine aktuelle Umfrage, die eine gewisse Klimaschutz-Müdigkeit feststellt: „Während 45 Prozent der Befragten denken, dass sie selbst etwas gegen den Klimawandel unternehmen können, glauben mit 40 Prozent weniger Menschen an die Wirkung politischer Maßnahmen. Eine deutliche Fehleinschätzung – denn offenkundig sind die mächtigsten Hebel politische: Ein umfassender CO₂-Preis, der Bau von klimaneutraler Infrastruktur oder die Förderung erneuerbarer Energien schaffen wichtige Voraussetzungen dafür, dass Einzelpersonen klimafreundliche Entscheidungen treffen können. Wie etwa ein Auto mit klimaneutralem Strom zu betreiben.“
Im ersten Quartal 2024 stiegen die Neuzulassungen von elektrisch angetriebenen Bussen in der EU um 10,3 Prozent, obwohl ihr Marktanteil aufgrund eines stärkeren Gesamtwachstums von Bussen auf 12,3 Prozent zurückging. Deutschland erholte sich mit einem Anstieg von 20,7 Prozent bei E-Bus-Neuzulassungen und wurde erneut zum größten europäischen Markt für diese Fahrzeugkategorie. Trotz eines beachtlichen Wachstums von 29,5 Prozent bei E-Lkw blieb deren Marktanteil jedoch gering und lag bei nur 1,9 Prozent. (ecomento.de)
Wie wollen wir leben?
„Es wäre unverantwortlich und schlecht für Deutschland, wenn die anderen Parteien es den Grünen überlassen, den Windkraft-Ausbau auch gegen Widerstände voranzutreiben“, sagt der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU) im NOZ-Interview.
Jetzt kommen die Elektrolaster: Zwei neue EU-Richtlinien zwingen die Hersteller, den CO2-freien Anteil schnell zu erhöhen. Die wollen diese Vorgaben aber noch übertreffen: Sie erwarten, dass drei Viertel aller Neuzulassungen von Lkw, Lieferwagen und Bussen 2030 emissionsfrei sein werden. (klimareporter.de via Reddit)
Verkehrspolitik in Lyon: Ein Drittel weniger Unfälle dank Tempo 30. Weniger Schwerverletzte, weniger Tote. (DER SPIEGEL)
Die OECD rät Deutschland zur Abschaffung des Dienstwagenprivilegs. (Handelsblatt)
Das Bundesarbeitsministerium hat zwar mit seiner Digitalisierungsstrategie einen großen Schritt gemacht – die Zersplitterung der Zuständigkeiten für soziale Leistungen zulasten der Bürger*innen bleibt aber bestehen, schreibt Florian Theißing von der Agora Digitale Transformation. (Tagesspiegel Background Digitalisierung)
Nach der lokalen Wasserversorgung (2013) und dem Stromnetz (2021) kauft Berlin nun das größte Fernwärmenetz Westeuropas zurück. (RBB24, Tagesspiegel)
Die Idee einer neun Kilometer langen Radbahn unter der U1 in Berlin kam schon 2015 auf. Fast ein Jahrzehnt später wird nun ein Testfeld eröffnet. (Tagesspiegel)
2021 wurde die erste Tigermücke in Berlin entdeckt. Durch den Klimawandel kommt die Mückenart vermehrt in der Hauptstadt vor. Um die Population einzudämmen, gibt es in Treptow-Köpenick ein Pilotprojekt. (RBB)
Wo gibt es Fortschritte?
Echter Käse ohne Kuh, echtes Ei ohne Huhn: Mit Fermentation könnten wir den katastrophalen Einfluss der Ernährung auf Umwelt und Klima drastisch reduzieren – viel Nahrung, wenig Nutzfläche, so die Vision. Durch Fortschritte in der Biotechnologie erfährt die jahrtausendealte Tradition der Fermentation eine Renaissance, schreibt der Biologe Martin Reich in seinem neu erschienenen Buch „Revolution aus dem Mikrokosmos – nachhaltige Ernährung der Fermentation.“ (Residenz Verlag, Dussmann, Amazon, Autor Martin Reich auf X, gebraucht kaufen bei Rebuy) Transparenz-Hinweis: Der Autor hat mir ein kostenloses Exemplar zugeschickt.
Die Ladeinfrastruktur kommt voran. Deutschland hat die EU-Zielvorgaben für den Ausbau von Ladestationen für elektrische Fahrzeuge übererfüllt. Auch viele andere Länder stehen gut da. (taz.de, via Andreas Krönke bei X)
Die Deutsche Bahn will dieses Jahr 16,4 Milliarden Euro ins Schienennetz stecken. Das überalterte Schienennetz trägt einen entscheidenden Teil zu den Verspätungen der Bahn bei. Jetzt soll die Grundsanierung endlich beginnen. (DER SPIEGEL)
Spotify-Gründer Daniel Ek ist Mitgründer des neuen Start-ups Neko Health. Es will Gesundheitsscans von Kopf bis Fuß zum festen Bestandteil einer jährlichen Gesundheitsuntersuchung zu machen. (New York Times)
Europas größtes Photovoltaik-Parkplatzdach am Disneyland Paris fertiggestellt: Die 36-Megawatt-Anlage spannt sich über 11.200 Stellplätze. Sie deckt 17 Prozent des Strombedarfs des Freizeitparks. (pv magazine)
Eine neue Gentherapie ermöglichte es einem Baby, das mit einer seltenen genetischen Erkrankung geboren wurde, die die Funktion des Ohrs vollständig beeinträchtigt, selbst die leisesten Töne zu hören. (Interesting Engineering)
Kendric Cromer, ein 12-jähriger Junge aus einem Vorort von Washington, hat als erster Patient eine neue, von der US-Gesundheitsbehörde FDA zugelassene Gentherapie gegen Sichelzellenanämie begonnen – eine Erbkrankheit, bei der sich die roten Blutzellen sichelförmig verformen. Diese Therapie bietet Hoffnung für Betroffene, trotz eines hohen Preises und einer aufwändigen Behandlung. Die mehrmonatige Behandlung umfasst die Entnahme und genetische Modifikation von Knochenmarkstammzellen zur Produktion gesunder roter Blutkörperchen. (New York Times)
DHL setzt inzwischen 35.000 Elektro-Transporter ein – das entspricht einem Anteil von weltweit 38 Prozent – plus 10 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Bis 2030 soll der E-Anteil auf 60 Prozent steigen. (Ecomento) Unterdessen nimmt die Österreichische Post die ersten zwei E-Lkw in Betrieb. (Pressemitteilung)
Erste Graffiti-Entfernungsdrohne der Welt in Washington vorgestellt. Die neue Drohne kann zur Entfernung von Graffiti an schwer zugänglichen Stellen wie hoch gelegenen Mauern und Brücken eingesetzt werden. (Interesting Engineering)
Bei vielen Wärmepumpen geht Energie verloren. Durch die Verwendung eines bestimmten Polymers einer Forschungsgruppe der Shanghai Jiao Tong University entfällt dagegen ein Teil der erforderlichen Energie, die für den Betrieb benötigt wird. (Golem)
Die weltgrößte Anlage zur direkten Abscheidung und Speicherung von CO₂ wurde in Island eröffnet. Sie ist zehnmal größer als der Vorgänger. (Heise)
Fundstück der Woche: MS-DOS 4 ist Open Source
Schon vor zehn Jahren hat Microsoft die MS-DOS-Versionen 1.25 und 2.0 dem Computer History Museum als Open-Source-Code gespendet. Nun ist auch die Version 4.0, die zusammen mit IBM entstand, unter der freien MIT-Lizenz veröffentlicht worden.
Angestoßen hat das der junge englische Forscher Connor „Starfrost“ Hyde. Von dem ehemaligen Chief Technical Officer von Microsoft, Ray Ozzie, erhielt er im Rahmen seiner Forschungen alte Disketten mit unveröffentlichten Beta-Binärdateien von DOS 4.0. Starfrost wandte sich an das Microsoft Open Source Programs Office (OSPO), um die Freigabe der DOS 4-Quellen zu erfragen. DOS 4 ist computerhistorisch unter anderem deshalb interessant, weil es die Grundlage für das spätere Betriebssystem OS/2 bildete, das IBM und Microsoft zunächst gemeinsam entwickelten.
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