Das KI-Dilemma: Die saubere digitale Welt droht schmutzig zu werden
Ab den 1980ern bis heute haben sich zwei Dinge parallel entwickelt, die gut zusammenpassen, aber im Grunde nichts miteinander zu tun haben: die Ablösung der alten Industriegiganten durch die neuen digitalen wirtschaftlichen Schwergewichte und das steigende ökologische Bewusstsein.
Die alte Welt, angetrieben von Maschinen aus Stahl, die mit Öl, Gas und Kohle befeuert wurden, wurde zwar nicht ganz abgelöst, aber im ökonomischen Wert von der neuen, sauber wirkenden digitalen Welt aus Informationen in den Schatten gestellt. Natürlich brauchen auch Rechenzentren Strom – aber im Vergleich zur Wertschöpfung dieser Unternehmen von Microsoft bis Google so wenig, dass die IT-Giganten ohne den geringsten Einspruch ihrer Aktionäre reihenweise mutige Versprechungen über 100 Prozent grüne Energien in naher Zukunft abgaben oder wie Google bereits 2017 erreichten.
„Die Technologiebranche aufzuräumen schien einfach. Die Stromversorgung von Serverschränken und Computern ist nicht annähernd so energieintensiv wie die Herstellung von Beton oder Stahl“, schreibt die New York Times. Das ist vorbei. Microsoft, Google und Amazon investieren in Kernenergie. Die Energienachfrage, unter anderem von Google und Meta, trägt dazu bei, dass ein Kohlekraftwerk im US-Bundesstaat Nebraska am Netz bleibt. Erdgasversorger expandieren, um der neuen Nachfrage aus dem Technologiesektor gerecht zu werden.
Was ist passiert? Kurz gesagt: Künstliche Intelligenz. Hinter dem aktuellen KI-Boom steht vor allem die Hardware des US-Unternehmens Nvidia. Weil die ehemals rein auf Grafikkarten spezialisierten Firma bei KI-Chips technisch konkurrenzlos ist, ist Nvidia aktuell das wertvollste Unternehmen der Welt.
Die Schattenseite des KI-Booms: die Chips haben einen enormen Strombedarf, der nach Schätzung von Goldman Sachs bis 2030 um 160 Prozent wachsen wird. Die New York Times spricht vom „A.I. Power Grab“.
Doch ob sich KI unterm Strich ökologisch positiv oder negativ auswirkt, ist – anders als bei der extrem energieintensiven Blockchain – noch nicht ausgemacht. KI kann industrielle Prozesse effizienter machen und so Ressourcen sparen. Nvidia nutzt KI, um beispielsweise den Energiebedarf von Fabriken zu senken. Kürzlich unterstützte das Unternehmen Foxconn, ein großer Hersteller von elektronischen Geräten wie iPhones, bei der Planung einer neuen Fabrik mit Hilfe von KI, wodurch der Energiebedarf angeblich um 30 Prozent gesenkt werden konnte.
Googles nutzt KI schon länger, um ein System zur Verringerung von Flugzeugkondensstreifen zu entwickeln, die zu einer zusätzlichen globalen Erwärmung führen können. Eine neue Generation von Chips ist in der Lage, komplexe Aufgaben zu zerlegen und dadurch weniger Energie zu verbrauchen. Im Gespräch mit der New York Times weist Nvidia darauf hin, dass es egal ist, wo KI-Modelle trainiert werden. Es ist also durchaus möglich, dass das Training neuer KI-Modelle künftig häufig in der Nähe großer Mengen von grünem Strom wie Wasserkraftwerken stattfindet.
Was sollten wir wissen?
Die klimaschädlichen Emissionen der EU sind 2023 um 8 Prozent gesunken – vor allem durch die Umstellung auf erneuerbare Energien. Damit werden nun 37 Prozent Klimagase emittiert als 1990. (The Guardian)
Die Denkfabrik Agora Energiewende hat ihre Studie „Klimaneutrales Deutschland“ veröffentlicht. Die wichtigsten Erkenntnisse: In Deutschland gab es seit 2014 einen Rückgang der Emissionen in der Energiewirtschaft um rund 40 Prozent. Trotz des kostenintensiven Netzausbaus bleiben die Stromkosten bis 2030 stabil und sinken danach. Die Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten sinkt über die kommenden 20 Jahre um 85 Prozent. (Agora Energiewende)
Die Preisentwicklung bei den wichtigen Energiewende-Technologien seit 2015 ist beeindruckend: PV-Module sind 75 Prozent günstiger geworden, Windkraft 22 Prozent Batteriespeicher 36 Prozent und E-Auto-Batterien 65 Prozent. Gerade bei den Batterien beschleunigt sich dieser Preisverfall derzeit. (Christoph Dolna-Gruber bei X)
Elektrofahrzeuge machen inzwischen 19 Prozent der weltweit verkauften Pkw aus. Vor fünf Jahren betrug der Anteil der Elektrofahrzeuge weniger als 3 Prozent. (Jan Rosenow bei X)
Im vergangenen September ist ein neuer globaler Absatzrekord von Elektroautos erzielt worden. (Elektroauto-News)
In den meisten Häusern sind Wärmepumpen ohne größere Umbauten sinnvoll. Trotzdem werden derzeit sogar weniger eingebaut als im vergangenen Jahr – wohl auch wegen der hohen Kosten für den Einbau. Wärmepumpen sind in Deutschland nämlich vor allem wegen des Fachkräftemangels und einer prozentualen Förderung der Kaufsumme deutlich teurer als im Rest Europas. (Tagesschau)
Die Internationale Energie-Agentur rechnet damit, dass die weltweite Stromnachfrage im Jahr 2035 um 6 Prozent höher sein wird als im letzten Jahr prognostiziert. (New York Times)
Trotz weggefallener Fördermittel des Bundes sieht Rock Tech die geplante Lithiumhydroxid-Raffinerie in Brandenburg nicht in Gefahr. (Golem)
BDEW-Strompreisanalyse Juli 2024: Mit 16,65 cent/kWh liegt der Strompreis für kleine und mittlere Industriebetriebe (inkl. Stromsteuer) auf dem Niveau von 2016/2017 (BDEW)
Die Bundesnetzagentur hat das in Deutschland geplante Wasserstoff-Kernnetz genehmigt. Die Behörde hat nur kleine Änderungen am Entwurf der Netzbetreiber vorgenommen. Das Kernnetz umfasst gut 9.000 Kilometer. Erste Leitungen könnten 2025 in Betrieb gehen. (pv magazine)
Saudi Arabien plant Ausbau der erneuerbaren Energien auf 50 Prozent bis 2030 und hat dazu Solarprojekte über 3.700 Megawatt ausgeschrieben. (IWR)
Eigentlich hatten die deutschen Wirtschaftsinstitute einen neuerlichen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes erwartet. Erste Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen nun hingegen ein kleines Wachstum. (Tagesspiegel)
In der EU können Vehicle-to-Grid-Technologien die jährlichen Energiesystemkosten um 8,6 Prozent senken, was Einsparungen in Höhe von 22,2 Milliarden Euro pro Jahr entspricht. Das zeigt eine Studie der Fraunhofer-Institute ISE und ISI für die Organisation Transport & Environment. (pv magazine, T&E)
„Wir treten dem aufgeheizten Klima in Gesellschaft und Atmosphäre entgegen – mit Fakten, mit Lösungen, mit Lust auf Zukunft“, verspricht das neue Magazin Atmo, das ab Frühjahr 2025 erscheinen soll. „Damit das klappt, brauchen wir mindestens 17.000 Abos.“ (atmo)
Die Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland verzeichnen einen rasanten Anstieg an Netzanschlussfragen für Batteriespeicher, die sich derzeit auf 161 Gigawatt summieren. Damit steht eine Vervielfachung der bisherigen Kapazitäten bevor, selbst wenn nur ein Teil dieser Projekte kommt. (Montel News)
Der Ruf freiwilliger CO2-Bindungsprojekte hat in den vergangenen Jahren gelitten. Der wohl wichtigste Grund dafür ist ein wirtschaftlicher Zielkonflikt zwischen den Käufern und Verkäufern der entsprechenden CO2-Zertifikate. Jérôme Cochet, Geschäftsführer des Berliner Startups Goodcarbon – ein Kunde von uns – schreibt: „Nur gemeinsame wirtschaftliche Ziele können beide Seiten zusammenbringen.“ (Tagesspiegel Background)
Wie wollen wir leben?
Robert Habeck hat erste sogenannte Klimaschutzverträge unterzeichnet. Unternehmen, die ihre Produktion klimafreundlicher gestalten wollen, bekommen Milliardenzuschüsse. (DIE ZEIT)
Die Arbeitsagentur in Deutschland will bis zu 19 Millionen Euro für KI zahlen. In den nächsten Jahren dürften bis zu 35 Prozent der Mitarbeiter in Rente gehen. Die Behörde will mit Künstlicher Intelligenz des Start-ups Aleph Alpha vorsorgen. (Handelsblatt)
Der Bundesrat hat die Wiedereinführung einer Kaufprämie für Elektroautos gefordert. Eingebracht hatten den Entschließungsantrag die Länder Niedersachsen und das Saarland. Hessen erklärte bereits seine Unterstützung. (Elektroauto-News)
Strikte Verbote sollen Menschen davon abhalten, harte Drogen zu nehmen. Nur funktioniert das nicht. Einige Länder haben Strafen abgeschafft. Mit Erfolg, zeigen Studien. (DIE ZEIT, Paywall)
Das Energieministerium der Vereinigten Staaten (DOE) hat 428 Millionen Dollar an Zuschüssen für den Auf- und Ausbau von Produktionsstätten für grüne Energie in Gemeinden angekündigt, in denen kürzlich Kohleminen stillgelegt wurden. (EcoWatch)
Windenergie-Genehmigungen in Deutschland haben ein neues Allzeithoch erreicht. (Via Reddit)
Beim Zubau von Solaranlagen hat Deutschland kürzlich 12 Gigawatt in der Spitze (GWp) praktisch erreicht. Damit hatten wir schon vor Ende Oktober das Ziel von 13 GWp fast erreicht. (Klaus Steinfelder bei X)
Belgien baut die weltweit erste künstliche Insel für Energieerzeugung namens „Prinzessin Elisabeth“, um Energie aus Offshore-Windparks effizienter zu bündeln und ans Festland zu leiten. Die Insel wird als zentraler Knotenpunkt für mehrere Offshore-Anlagen dienen und sowohl Wind- als auch Wellenenergie nutzen. Das Projekt soll die Versorgungssicherheit verbessern und die Energiewende in Europa unterstützen. (Techspot)
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat mit dem Verband VDE die Lieferkette für den Smart-Meter-Rollout deutlich vereinfacht und optimiert. (ZfK)
Der neu eingeführte Index für die Erlöse von Batteriespeichern bietet eine transparente und unabhängige Möglichkeit, die Wirtschaftlichkeit von Energiespeichern im deutschen Markt zu bewerten. (pv magazine)
Wo gibt es Fortschritte?
Forschende an der Universität Stanford haben eine Methode entwickelt, um Krebszellen dazu zu bringen, sich selbst zu zerstören, indem sie zwei Proteine künstlich verbinden, die Gene zur Zellzerstörung aktivieren. Dieser Ansatz nutzt den natürlichen Prozess der Apoptose und könnte eine präzisere Krebstherapie ermöglichen, die gesunde Zellen schont. (Stanford)
Forschende der Harvard-Universität haben ein KI-Modell namens CHIEF entwickelt, das Krebs mit einer Genauigkeit von bis zu 96 % diagnostizieren und den Krankheitsverlauf vorhersagen kann. Das Modell, das auf Millionen von Bilddaten trainiert wurde, übertrifft bisherige KI-Ansätze und erkennt genetische Profile sowie Tumormerkmale, die die Überlebenschancen beeinflussen. Diese Entwicklung könnte in der Zukunft Krebsdiagnosen weltweit effizienter und kostengünstiger gestalten. (SciTechDaily)
Krankheiten heilen, an denen Millionen von Menschen leiden: Mit neuen Methoden, von Mini-Organen bis hin zu „getunten“ Zellen, bahnen Forschenden aus Berlin den Weg zu diesem Ziel. (Tagesspiegel, Paywall)
Dongfang Electric aus China stellt weltgrößte Offshore Windkraftanlage mit 26 MW Leistung vor. (IWR)
Forschende der Londoner Universität UCL haben einen neuen Rekord in der kabellosen Datenübertragung aufgestellt und eine Geschwindigkeit von 938 Gigabit pro Sekunde erreicht. Das ist bis zu 9.380-mal schneller als typische 5G-Geschwindigkeiten. Möglich wurde dies durch die Kombination von Radio- und optischer Technologie über ein Frequenzspektrum von 5 bis 150 Gigahertz. Diese Technik könnte kabellose Kommunikation revolutionieren und in wenigen Jahren auf den Markt kommen. (UCL)
Forschende haben eine umfassende Datenbank namens hPTMdb erstellt, die über 1,3 Millionen humane Proteinmodifikationen erfasst und analysiert. Diese Datenbank hilft, die Funktion und Dynamik von Proteinmodifikationen besser zu verstehen und könnte die biomedizinische Forschung erheblich fördern. Sie bietet Forschern eine wertvolle Ressource, um neue Einblicke in die Zellbiologie und Krankheitsmechanismen zu gewinnen. (Oxford Academic)
Eine neue Form eines seit Langem bekannten Kunststoffs könnte zur Reduktion des Plastikmülls in den Meeren beitragen: der Bio-Kunststoff wird im Meer schneller abgebaut als Papier. (Golem)
Der Photovoltaik-Hersteller Trinasolar meldet einen neuen Effizienz-Rekord für Photovoltaik-Zellen: 25,9 Prozent. (Solarserver)
Das Helmholtz-Zentrum Berlin und die King Abdullah University haben eine Perowskit-Silizium-Tandemsolarzelle mit einem Wirkungsgrad von 31,2 Prozent entwickelt. Die Zelle verwendet eine Blade-Beschichtung für die Perowskit-Schicht und zeigt eine hohe Stabilität und Effizienz. Dies stellt einen wichtigen Schritt in Richtung der Kommerzialisierung solcher Hochleistungszellen dar und könnte Solarstrom günstiger und nachhaltiger machen. (pv magazine)
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat heute die Preisträger des Umweltpreises 2024 bekanntgegeben. Neben Moorforscherin Dr. Franziska Tanneberger aus Greifswald bekommt ihn Ingenieur Thomas Speidel aus Nürtingen für seine Innovation bei der E-Mobilität. (SWR)
Das neue organische Material COF-999 soll Kohlendioxid effizient aus der Luft entfernen. Das Material ist sehr effizient: 200 Gramm davon entziehen der Luft 20 Kilogramm Kohlendioxid – das entspricht in etwa der Menge, die ein Baum an Kohlendioxid aufnimmt. (Golem, Nature)
Erster Test für Energiespeicher am Meeresgrund: Ein unterseeisches Pumpspeicher-Kraftwerk wird ab 2026 vor der Küste Kaliforniens getestet. (scinexx)
Fundstück der Woche: Wie ein Holzgerüst das Stadtklima retten kann
Dem Stadtklima helfen mit einem Holzgerüst? Das Projekt „Vert“ von Designer Stefan Diez klingt zu schön, um wahr zu sein. Doch ein erster Testlauf in London zeigt: Es funktioniert. Warum es in puncto Nachhaltigkeit auch Pragmatismus braucht. (Die Welt)
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