Was sollten wir wissen?
Drei Strom-Konkurrenten wollen Deutschlands Smart-Meter-Stillstand beenden
Warum braucht die Energiewende Digitalisierung? Das Angebot von Strom aus Wind und Sonne schwankt – gleichzeitig ist der grüne Strom aus diesen Quellen derzeit der günstigste pro Kilowattstunde. Das sorgt für einen paradoxen Effekt: Mehr Energie aus Sonne und Wind macht den Strom günstiger – dabei ist das System drumherum aber teurer. Denn wir brauchen beispielsweise mehr Kapazitäten in den Netzen, um den Strom dorthin zu bringen, wo er gerade gebraucht wird.
Was aber in der Diskussion um die Kosten der Energiewende derzeit zu kurz kommt: Privathaushalte haben einen riesigen Hebel, nicht nur individuell zu sparen, sondern auch die Energiewende für alle günstiger zu machen. Der Schlüssel: Strom dann zu verbrauchen, wenn er durch viel grünen Strom aus Sonne und Wind im Netz im Überfluss vorhanden ist – und das mithilfe von Preisanreizen wie Smart Meter und dynamischen Stromtarifen.
Doch die Verbreitung von Smart Metern geht in Deutschland seit Jahrzehnten schleppend voran – insbesondere im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarländern. Für einen schnelleren Ausbau haben sich drei Startups zusammengetan, die auf dem Strommarkt eigentlich Konkurrenten sind: Unser Kunde Tibber, Octopus Energy und RABOT Charge. Für diese neue Smart-Meter-Initiative haben wir als fph die Kommunikation übernommen. Sie wollen gemeinsam mit den für Stromzähler in Deutschland zuständigen Messstellenbetreibern effiziente Prozesse für den Rollout der intelligenten Zähler erarbeiten und erproben.
Ab 2025 haben Millionen von Haushalten Anspruch auf intelligente Stromzähler. Haushalte mit mehr als 6.000 Kilowattstunden jährlichem Stromverbrauch müssen ein Smart Meter erhalten, für den sie nur noch maximal 20 Euro pro Jahr zahlen. Dies trifft vor allem auf Haushalte mit Elektroautos, Wärmepumpen oder PV-Anlagen mit mehr als sieben Kilowatt Leistung zu. Alle anderen Haushalte haben das Recht auf einen Einbau bei selbständiger Nachfrage.
China stellt beim Solarboom neue Rekorde auf – Deutschland hinter dem Fahrplan
China hat 2023 mehr Photovoltaik-Anlagen installiert als der Rest der Welt zusammen – und mehr zugebaut als in den USA insgesamt je installiert wurden.
Unser Nachbarland Frankreich hat 2023 Rekordzahlen mit 3.135 Megawatt Photovoltaik geschrieben – 30 Prozent mehr Photovoltaik-Leistung als im Vorjahr. Auch die US-Regierung setzt zu Beginn 2024 ein Zeichen für die Energiewende und gibt eine Staatsfläche von 89.030 Quadratkilometern für die Entwicklung von Solarenergieprojekten frei.
In Deutschland sehen die Zahlen weniger gut aus: Monatlich müssten wir derzeit mehr als 1.500 Megawatt zubauen, um bis 2030 das Ziel von 215 Gigawatt zu erreichen. De facto lagen die Zubauzahlen 2023 meist nur um die 1.200 Megawatt und selbst im Peak-Monat Juli lag der Zubau nur bei 1.436 Megawatt. Auf der anderen Seite hat sich 2023 der Solarzubau im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt und lag über den erklärten Zielen der Bundesregierung – immerhin das Momentum stimmt also positiv.
(Quelle)
Mit dem Ausbau von PV-Anlagen sind auch die Stellen in der Branche gestiegen: „Die Zahl der Beschäftigten in der Solarwirtschaft stieg 2022 um 37 Prozent”, schreibt pv magazine. Von insgesamt 388.000 im Erneuerbaren-Bereich arbeiteten 2022 81.100 Menschen im Solarbereich.
Und auch die Elektrifizierung der Wärme kommt voran: Trotz der negativen Kampagne gegen Wärmepumpen steigt deren Zahl in Deutschland weiter stark an – von 236.000 in 2022 auf 356.000 in 2023.
(Quelle)
Insgesamt liegt der Standort Europa im weltweiten Solarwettrennen zurück. Während China die eigene Solarindustrie schützt und mit Subventionen überschüttet, haben die USA mit dem Inflation Reduction Act (IRA) das größte Greentech-Subventionsprogramm der Geschichte aufgelegt.
Deshalb schließt Solarhersteller Meyer Burger das sächsische Werk in Freiberg und spielt immer wieder öffentlich mit dem Gedanken, die Produktion komplett in die USA zu verlegen. Hoffnung für den Greentech-Standort Europa gibt es aber immerhin beim Thema Akkuspeicher: Batteriezellhersteller Northvolt nimmt das größte grüne Darlehen Europas auf. Mit den fünf Milliarden Dollar soll das schwedische Werk ausgebaut und ein Meilenstein für die europäische Energiewende gelegt werden, sagt Unternehmenschef Peter Carlsson dem SPIEGEL.
War sonst noch was?
Abgasbetrug: DUH klagt erfolgreich gegen Volkswagen wegen Abschalteinrichtungen. Das Gericht stuft weitere Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtungen ein, die das Kraftfahrt-Bundesamt nicht hätte genehmigen dürfen. (Heise Online)
Fairphones für Deutsche Bahn-Mitarbeitende: Mit der einfachen und schnellen Reparatur des Handys können Wartungszeiten künftig reduziert werden. (Golem)
KI-generierte Inhalte durchdringen sämtliche Lebensbereiche und machen es uns immer schwerer, Schlechtes oder Falsches zu erkennen. Nützliche Inhalte oder stichhaltige Argumente aus der Masse heraus zu erkennen wird laut Andreas Gebhard (Chief Product and Growth Officer bei CatchLight) exponentiell schwieriger. Dabei werden sich vor allem Unternehmen abheben, die ihre Kunden priorisieren und Wert auf Fact-Checking und qualitativ hochwertige Redaktion legen. (LinkedIn-Beitrag von Andreas Gebhard)
Mit Salzgurkensole durch den Winter: Der kalte Winter in Deutschland hat am Münchner Flughafen für Kreativität im Winterdienst gesorgt. Denn statt Streusalz gab es Salzgurkensole, also das Flüssige, was nach der Fermentierung von Gurken in der Produktion übrig bleibt. Die Idee hatte der Senf- und Konservenhersteller Dingolfinger, der inzwischen mehrere Unternehmen mit seiner Streusalz-Alternative beliefert. Laut diesem konnten durch die Weiternutzung der Gurkensole bisher 180 Tonnen Streusalz und 1,5 Millionen Liter Wasser eingespart werden.
Die Zahl islamistischer Gefährder:innen ist im vergangenen Jahr nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) zurückgegangen. (Welt)
In einem wissenschaftlichen Paper haben Forscher*innen versucht, den Wert von Open-Source-Software festzustellen. Demnach hat Software, die der Allgemeinheit gratis zur Verfügung steht, weltweit einen Wert von etwa 4,15 Milliarden Dollar und kreiert bei den Unternehmen, die sie nutzen, weitere 8,8 Billionen Dollar an Wert. (Harvard Business School)
Wie wollen wir leben?
Europa und Deutschland haben ein altbekanntes Geldproblem: Auf Spitzenforschung, hochqualitative Unternehmensgründungen und zahlreiche Patentanmeldungen trifft zu wenig Kapital, um die Unternehmen auch zu globalen Champions aufzubauen.
Während China und die USA industriepolitisch die Weichen für die Greentech-Zukunft stellen, indem sie sich als globale Hubs in diesem Bereich positionieren, diskutiert Deutschland über die Schuldenbremse. Als würden wir unseren Kindern nur unsere Schulden vererben und nicht etwa auch die Unternehmen, Technologien und die Infrastruktur, die wir für die Zukunft benötigen.
Wie gut aufgestellt insbesondere Deutschland bei den Patenten ist, hat jüngst wieder eine Studie der Bertelsmannstiftung belegt, die analysiert, wie zukunftsfit Deutschland ist. Dafür betrachteten die Autor:innen technologische Entwicklung und Innovationen im Greentech-Bereich. Mit fast 10.000 entwickelten aktiven Weltklassepatenten in grünen Technologien ist Deutschland für die Hälfte der Weltklassepatente aus der EU-27 verantwortlich. Das hilft allerdings wenig, so lange Deutschland mehr über seine Schuldenbremse diskutiert als über den Aufbau der Greentech-Industrie der Zukunft.
War sonst noch was?
Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), kritisiert die erneute Verzögerung des Klimagelds durch die Regierung. Er prognostiziert, dass wir in Deutschland noch zwei schwierige Jahre vor uns haben, bis die Energiepreise fallen. „Deutschland braucht Maßnahmen, um die Mittelschicht und Geringverdiener vor den hohen Kosten zu schützen“, sagt er im Interview mit ZEIT Online.
Auch sechs Verbände haben gemeinsam einen offenen Brief an Bundesfinanzminister Christian Lindner verfasst und fordern die Auszahlung des Klimageldes noch in dieser Legislaturperiode. (SPIEGEL)
Mit einer neuen Behörde will das Landesfinanzministerium NRW gegen Finanzbetrüger und Geldwäscher ermitteln. Nordrhein-Westfalen ist das erste Bundesland, das solch ein Landesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (LBF) gründet. Das LBF soll die Zusammenarbeit mit Ermittlern in anderen Ländern und Staaten vereinfachen und ist zentraler Ansprechpartner für die Europäische Staatsanwaltschaft. (Süddeutsche Zeitung, Paywall)
Die heiß umstrittene Vier-Tage-Woche im Test: In Portugal haben 41 Unternehmen an einem 6-monatigen Pilotprojekt zur Vier-Tages-Woche teilgenommen. Das Ergebnis ist eindeutig: 95 Prozent der Unternehmen beurteilen die Erfahrung als positiv, denn die Vier-Tage-Woche erhöht die Produktivität. (taz)
3. Wo gibt es Fortschritte?
Das gemeinsame Projekt „MakoMaker Space” der TenneT TSO GmbH und dem Fraunhofer-Institut soll es Stromkund:innen künftig ermöglichen, schnell und einfach den Stromlieferanten zu wechseln. Mithilfe eines komplett digitalisierten Prozesses und Datenraum-Technologien könnten die Anforderungen der Bundesnetzagentur für einen 24h-Lieferantenwechsel umgesetzt werden. (idw)
Ein Forschungsteam an der US-amerikanischen Universität Georgia Tech hat den weltweit ersten funktionierenden Halbleiter auf Graphenbasis entwickelt. Die Forscher versprechen sich dadurch einen großen technologischen Durchbruch: mit der neuen Methodik könnten herkömmliche Halbleiter aus dem Material Silizium ersetzt werden. Diese stoßen nämlich an ihre Grenzen in Hinblick auf Geschwindigkeit, Wärmeentwicklung und Miniaturisierung. (IEEE Spectrum)
KI sorgt für medizinischen Fortschritt: Hautkrebs ist die am häufigsten diagnostizierte Krebsart in den USA. Dabei mangelt es oft an frühzeitigen und genauen Diagnosen. Ein KI-gestütztes medizinisches Gerät namens DermaSensor könnte hierbei helfen. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) lässt damit erstmals ein KI-gestütztes medizinisches Gerät zu. Dieses kann die drei häufigsten Hautkrebsarten erkennen und Ärzt:innen erhalten KI-basierte Echtzeitbewertungen über das Krebsrisiko von Patient:innen. DermaSensor ist also nicht nur ein Durchbruch für das Hautkrebs-Screening und die Prävention sowie Behandlung von Hautkrebs. Die Zulassung eines medizinischen KI-Geräts ist ein entscheidender Schritt für die Integration von KI für klinische Entscheidungen und Ergebnisse. (Digialps)
Weitere medizinische Fortschritte an der University of California, Riverside: Wissenschaftler:innen haben herausgefunden, wie sie MYC, ein unförmiges Protein verantwortlich für die Verschlimmerung von Krebs, zähmen können. Laut den Forschenden könnte das eine neue Ära der Krebsbehandlung bedeuten. (Phys.org)
Hoffnung bringt ebenfalls die Geschichte eines ehemals gehörlosen 11-Jährigen Jungen, der dank ersten und erfolgreicher Gentherapie für Menschen mit angeborener Taubheit erstmals in seinem Leben hören kann. Mehrere Millionen Menschen leben weltweit mit Hörverlust. Die Gentherapie von Aissam richtet sich zwar bislang nur an Menschen, die von einer Mutation im Gen Otoferlin betroffen sind, soll langfristig aber auch andere Formen angeborener Taubheit behandeln können. (The New York Times)
MIT-Forscher:innen haben einen batterielosen, selbstversorgenden Sensor entwickelt, der Energie aus seiner Umgebung gewinnen kann und somit keine Batterie benötigt. Dadurch können Ladevorgänge und Batteriewechsel vermieden werden. Mit der elektromagnetisch gewonnenen Energie könnte der Temperatursensor vor allem an Stellen eingesetzt werden, die schwer zugänglich sind – insbesondere, da keine Verkabelung notwendig ist. Ein Beispiel wäre die Anbringung im Inneren eines Schiffsmotors, um die Motortemperatur zu überwachen. (MIT News)
4. Fundstück der Woche: Mobilitäswende im Schweizer Steinbruch
Mobilitätswende nicht nur auf Straßen und Schienen: In einem Schweizer Steinbruch transportiert der eDumper, ein rein elektrischer Muldenkipper, bis zu 60 Tonnen Kalk- und Mergelstein. Das Fahrzeug lädt seine Batterien beim Bremsen bergab selbst auf, um die Rückfahrt voll elektrisch zu fahren und jährlich sogar 77 Megawattstunden ins Stromnetz einzuspeisen. Im Jahr spart der eDumper somit 130 Tonnen CO2 bzw. mehr als 50.000 Liter Diesel.