Für die kommenden Generationen: Deutschland, mach endlich Schulden!
Impact-Newsletter Nr. 9 von fph
1. Was sollten wir wissen?
Der ehemalige grüne Außenminister Joschka Fischer hat es im Interview mit der Augsburger Allgemeinen auf den Punkt gebracht: „Wir haben das Kapital, wir haben das Potenzial. Wir nutzen beides nicht. Man kann eine solche Zäsur, wie wir sie gegenwärtig erleben, nicht mit Sparhaushalten bewältigen. Deutschland muss jetzt Geld ausgeben, damit die Zukunft gesichert ist.“
Mit der umstrittenen Schuldenbremse und dem Urteil des Bundverfassungsgerichts dazu hat sich Deutschland ein extrem schlechtes Timing ausgesucht, um bei den Investitionen eine Vollbremsung hinzulegen: Global werden gerade die Weichen gestellt, um die Wirtschaft auf Kurs von Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit zu bringen.
„Andere Staaten wie China und die USA investieren gewaltige Summen in die Transformation. Bei uns dagegen herrschen Unsicherheit und Skepsis“, bringt es ein Brandbrief 50 namhafter deutscher Unternehmen auf den Punkt – von Puma über die Deutsche Telekom bis Thyssenkrupp. Auch der deutsche Mittelstand ist alarmiert: „Es ist eine Minute vor zwölf“, warnen insgesamt 18 Wirtschaftsverbände in einem Brandbrief, unter ihnen der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft (BVMW). „Es steht nichts weniger auf dem Spiel als die Rettung des deutschen Mittelstands.“
Auch die deutschen Wirtschaftsinstitute warnen vor den negativen Auswirkungen der Schuldenbremse. Egal ob DIW, IW, die „Wirtschaftsweisen“ oder Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums – mindestens eine Reform der Schuldenbremse, um mehr Investitionen zu ermöglichen, fordern alle. Ökonom Peter Bofinger wundert sich, dass ausgerechnet das Land mit einer der niedrigsten Schuldenquoten unter den Industrieländern die eigene Zukunft durch einen Schuldenfetisch riskiert.
International stößt das das deutsche Kuriosum Schuldenbremse ohnehin nur auf Kopfschütteln – vom internationalen Währungsfonds (IWF) über OECD bis zur Financial Times. Politico wundert sich über das „Schweigen“ der EU über eine tickende Zeitbombe: den Niedergang der europäischen Solarindustrie, der uns direkt in die nächste geostrategische Abhängigkeit von China führt.
Die gute Nachricht: Deutschland und die Europäische Union haben zahlreiche exzellente Technologien und Unternehmensgründungen für die Herausforderungen der Transformation der globalen Ökonomie in Richtung regenerative Wirtschaft. Wenn Deutschland endlich den Tanz um das goldene Kalb der Schuldenbremse beenden und stattdessen mutig in die Zukunft investieren würde, könnte es damit zum Zugpferd für ganz Europa werden.
Eine aktuelle PwC-Studie macht Mut. Ihr Fazit: Wenn Deutschland beim klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft mehr Tempo zulegt, lohnt sich das sowohl ökonomisch wie ökologisch. Eine Beschleunigung des Wandels hin zu Klimaneutralität würde demnach unter dem Strich volkswirtschaftlich mehr einbringen als kosten.
War sonst noch was?
China investiert wie kaum ein anderes Land in erneuerbare Energien. Das könnte massiv dazu beigetragen haben, das schwächelnde Wirtschaftswachstum zu stützen. Und es hilft beim Klimaschutz. (tagesschau.de) Die Solarziele für 2030 wird China bereits dieses Jahr (!) erreichen. (Grafik von G. Mooney bei X)
Eine neue Studie legt nahe, dass das Strömungssystem im Atlantik früher als gedacht kollabieren könnte. Dann würde für Europa ein Temperatursturz drohen. (T-Online)
Die EU hat ein Wasserstoffprojekt in Milliardenhöhe genehmigt. Für Elektrolyseure und Pipelines für Wasserstoff dürfen die EU-Staaten in den kommenden Jahren hohe Fördersummen ausgeben. (Golem)
Nach den Kürzungen im Haushalt stampft die Deutsche Bahn ihre Neubauprojekte quasi komplett ein. Experten warnen daher vor massiven Schäden für die Wirtschaft. (WiWo)
Google unterstützt ein Satellitenprojekt, das im März starten soll und Daten über klimaschädliche Methanlecks in der ganzen Welt sammeln wird. (BBC)
Google und HSBC Bank investieren 1 Mrd in ClimateTech. (techfieber.de, Reuters)
Jugendliche in Solingen haben sich in einem offenen Brief bei der Feuerwehr und der Polizei entschuldigt. Dafür, dass sie bei den Silvester-Krawallen tatenlos zugesehen hätten. (WDR)
Der Zuckerkonsum ist den meisten Ländern in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. (Gunter Kuhnle auf X)
Die Europäische Kommission hat ihre Empfehlungen für das Emissionsreduktionsziel 2040 vorgelegt, um den Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2050 zu ebnen. (europa.eu)
Die Bundesregierung hat sich auf eine Strategie zum Bau neuer, wasserstofffähiger Gaskraftwerke in Deutschland geeinigt. Der immer höhere Anteil von Energie aus günstigen Solar- und Windkraftwerken soll durch hochflexible Kraftwerke ergänzt werden, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden können. (Tagesschau)
Die Produktion von Strom aus Gas- und Kohlekraftwerken implodiert weltweit. Die fossilen Kraftwerke werden durch deutlich günstigere Energie aus Wind, Sonne und Wasser verdrängt. (Electrek.co)
Die Großhandelspreise für Strom in Deutschland und Europa bleiben niedrig und gleichen sich weiter an. (IWR Online auf X)
Die Welt ist furchtbar. Die Welt ist viel besser geworden. Die Welt könnte viel besser sein. Warum alle drei Sätze wahr sind, zeigt Our World in Data anhand der Entwicklung der globalen Kindersterblichkeit. (ourworldindata.org)
Die Fleischproduktion in Deutschland ist 2023 das siebte Jahr in Folge gesunken. (DER SPIEGEL)
Die Kakaoproduktion vornehmlich in Afrika und Indonesien ist für zahlreiche Probleme verantwortlich – von sklavenartigen Arbeitsverhältnissen und Kinderarbeit bis Monokultur, hoher Wasserverbrauch und eine schlechte CO2-Bilanz. Das Startup Planet A Foods stellt kakaofreie Schokolade her – und die ist inzwischen auch bei Rewe und Penny zu finden. Transparenzhinweis: Unser Kund World Fund hat in Planet A Foods investiert. (RND)
Eine Hochrechnung des Fraunhofer ISE zeigt die Stromproduktion aus Windkraft pro Fläche für alle Bundesländer 2023. Spitzenreiter ist Schleswig-Holstein – Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg produzieren besonders wenig Strom aus Wind. (Reddit)
Nur 137 Kryptominer verbrauchen 2,3 Prozent des gesamten Stroms der USA. Die Regierung verlangt jetzt von kommerziellen Minern, ihren Energieverbrauch zu melden. (Tom’s Hardware)
Die EU hat im vergangenen Jahr einen Rekordrückgang bei der Gewinnung von Strom aus fossilen Energieträgern verzeichnet. Erstmals kam auch mehr Strom aus Windkraft als aus Gaskraftwerken. (Futurezone, Ember)
In den vergangenen Tagen haben sich Schwergewichte der Finanzwelt – darunter JPMorgan, State Street und Pimco – aus einer Gruppe namens Climate Action 100+ zurückgezogen. Hintergrund ist der Druck republikanischer Politiker*innen gegen „woken Kapitalismus.“ (New York Times)
Warum flüssiger Wasserstoff unsinnig ist, führt Paul Martin bei LinkedIn aus. (Übersetzung von Stefan Wundrig, via Gerhard Schröder)
Seit gut einem Jahr sparen Hausbesitzer beim Kauf einer Solaranlage die Umsatzsteuer und sind zudem von Bürokratie entlastet. Das Signal aus Berlin kommt an. (FAZ)
Bislang gingen Forscher davon aus, dass Wasserstoff chemisch gewonnen werden muss - natürliche Vorkommen gebe es nicht, dachte man. Doch jetzt haben Forscher in einem albanischen Bergwerk ein großes Reservoir der für die Energiewende so wichtigen Ressource gefunden. (FOCUS Online)
2. Wie wollen wir leben?
Enpal setzt sich für EU-Lieferkettengesetz ein: Das Unternehmen sieht in den EU-Plänen zwar zunächst eine Mehrbelastung, auf Dauer und in der Gesamtbilanz aber sei eine einheitliche Regelung für ganz Europa von Vorteil. (pv magazine)
Der Berliner Bezirk Reinickendorf ist bundesweit Vorreiter: Dort startet die erste Vollzeit-Einsamkeitsbeauftragte ihren Dienst. (Tagesspiegel)
In der EU soll ein Recht auf die Reparatur bestimmter Geräte eingeführt werden. Das haben Anfang Februar Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten vereinbart. Danach sollen die Hersteller etwa von Kühlschränken, Staubsaugern oder Handys die Geräte künftig auf Wunsch der Verbraucher reparieren müssen. (MDR)
Gunter Erfurt, CEO von Meyer Burger – dem einzigen verbliebenen Solarhersteller in Europa – war zu Gast in der ZDF-Talk-Sendung Markus Lanz. In einem Ausschnitt bei X erklärt er die Marktverzerrung, unter der europäische Solarhersteller leiden. (Meyer Burger bei X)
In den USA werden schon mehr Wärmepumpen verkauft als Gasheizungen. Nun soll sich der Wandel noch beschleunigen: eine Koalition von neun US-Bundesstaaten hat eine Vereinbarung unterzeichnet, um die Umstellung von Gas auf Strom zu beschleunigen, indem sie Privathaushalten den Wechsel so billig und einfach wie möglich machen. (WIRED)
Während lange Zeit der Bund die Hoheit in Sachen Gebühren für Bewohner*innenparkausweise hatte, ist diese Gebührenhoheit mittlerweile auf die Bundesländer übergegangen. Die Höhe der Gebühr richtet sich daher in Koblenz zukünftig nach der tatsächlich in Anspruch genommenen Straßenfläche. (Stadt Koblenz)
Das britische Pharmaunternehmen AstraZeneca meldet Erfolge bei der Behandlung von Lungenkrebs. Das meistverkaufte Medikament Tagrisso verlangsamt das Fortschreiten der häufigsten Form der Krankheit in einem frühen Stadium. (FT)
3. Wo gibt es Fortschritte?
Giftiger Schlamm zu grünem Stahl: Ein deutsches Forschungsteam will giftige Rückstände aus der Aluminiumindustrie verarbeiten. Das Verfahren soll der Umwelt nützen, das Eisen soll konkurrenzfähig sein. (Golem)
Ein neues Verfahren zur Eisengewinnung könnte CO2-Emissionen verringern: Durch die Gewinnung von metallischem Eisen ohne Erzeugung von Kohlendioxid könnte das neue Verfahren sogar CO2-negativ wirken. (Science.org)
Zehn Sekunden – so lange soll es künftig dauern, bis bei einer Überweisung das Geld auf dem Konto des Empfängers landet. Ohne Mehrkosten. Das EU-Parlament hat dafür den Weg geebnet. (Tagesschau)
Deutsche Bahn testet bis zu 5 Gbit/s im ICE mit einem Pilotprojekt in Mecklenburg. (Golem)
In einem Experiment ist Forschenden nach eigenen Angaben ein Weltrekord bei einer Kernfusion gelungen. Ein Erfolg des europäischen Projekts könnte ein Durchbruch für umweltschonende Energiequellen sein. (DER SPIEGEL)
Ein stillgelegtes Bergwerk wird zum Stromspeicher: Wo bis vor kurzem Kupfer und Zink abgebaut wurde, soll künftig Strom aus Solaranlagen und Windkraftanlagen gespeichert werden. (Golem)
Zukünftige Elektrofahrzeuge sollen eine Batteriereichweite von 1.000 Kilometern erreichen. Ein südkoreanisches Forschungsteam arbeitet dafür an einem Li-Ionen-Batteriesystem der nächsten Generation. Dieses bietet eine bessere Energiedichte, ist leicht herzustellen und verwendet Gelelektrolyte und Mikrosiliziumpartikel. (Golem, eurekalert.org)
Um dem Klimawandel entgegenzuwirken und die Energiewende voranzutreiben, gewinnen alternative, klimaneutral hergestellte Kraftstoffe zunehmend an Bedeutung. Ein neues Projekt an der Universität Rostock untersucht nun Ammoniak als Kraftstoff. (IDW Online)
Das niederländische Unternehmen Oceans of Energy startet mit 15 Industrie- und Forschungspartnern ein Projekt zur Hochskalierung von Offshore-Photovoltaik. Das europäische Konsortium plant 150-Megawatt-Blöcke für Offshore-Photovoltaik. (pv magazine)
Das Hamburger Unternehmen Enerparc hat von der Eiffel Investment Group eine Finanzierung für ein 325-Megawatt-Portfolio aus Photovoltaik- und Hybridanlagen mit Batteriespeichern in Deutschland erhalten. IB Vogt erhielt eine Finanzierung von ca. 350 Millionen Euro für den Bau von drei Photovoltaik-Kraftwerken in Spanien mit einer Gesamtleistung von 418 Megawatt. Beide Unternehmen nutzen diese Finanzierungen für den Ausbau ihrer erneuerbaren Energieprojekte, die durch diverse Einnahmequellen, einschließlich PPAs, unterstützt werden. (pv magazine)
Ein Chemikaliencocktail könnte Sehkraft durch Regeneration von Sehnerven wiederherstellen. Der Sehnerv wurde bei Mäusen teilweise regeneriert, was Hoffnungen auf die Behandlung von Blindheit aufgrund von Krankheiten wie dem Glaukom weckt. (NewScientist)
Der philippinische Energieversorger SPNEC baut einen der größten Solarparks der Welt. (Golem)
Die Stromtrasse SuedLink ist mit einer Länge von rund 700 Kilometern und einer Investitionssumme von zehn Milliarden Euro eines der größten Infrastrukturvorhaben der Energiewende. Inzwischen haben die Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW GmbH und TenneT alle SuedLink-Genehmigungsunterlagen vollständig eingereicht. (Sven Wiechert bei LinkedIn via Gerhard Schröder)
4. Fundstücke der Woche
Wie könnte Köln ohne Autos aussehen? Ein KI-generiertes YouTube-Video zeigt es.
Generell gab es vergangene Woche beim Thema KI und Video mal wieder riesige Fortschritte: OpenAI hat seine Text-zu-Video-Software Sora vorgestellt – mit beeindruckenden Ergebnissen, die beispielsweise hier auf X zusammengestellt wurden. Der Fortschritt wird besonders offensichtlich, wenn man die Videos mit der Technik von vor einem Jahr vergleicht. Dieses Video zeigt, dass es dabei um mehr geht als Videos: Sora simuliert Physik und ist damit ein Erschaffer von Welten.
Der Impact-Newsletter ist ein Angebot von fph, einer PR-Beratung für Impact- und Impact-Tech-Unternehmen – gegründet von den beiden Ex-Journalisten Stephan Dörner und Stefan Mauer. Wir bieten regelmäßig eine kostenlose PR-Sprechstunde zum Kennenlernen.
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