COP28: Kann Olafs Klima-Club die CO2-Lecks stopfen?
Ausgabe 5 – Der Impact-Newsletter gegen Doomscrolling von fph
COP28: Kann Olafs Klima-Club die CO2-Lecks stopfen?
Was sollten wir wissen?
„Hallo, ich bin Severn Suzuki und spreche für ECO, die Environmental Children's Organization.
Wir sind eine Gruppe von 12- und 13-Jährigen, die versuchen, etwas zu bewirken. [...] Wir haben selbst das gesamte Geld aufgebracht, um hierher zu kommen – um 5.000 Meilen zu reisen, um euch Erwachsenen zu sagen, dass ihr euer Verhalten ändern müsst.
Ich bin ohne versteckte Agenda gekommen. Ich kämpfe für meine Zukunft. Meine Zukunft zu verlieren ist nicht wie eine Wahl oder ein paar Punkte an der Börse zu verlieren. Ich bin hier, um für alle kommenden Generationen zu sprechen.
[...]
Eltern sollten in der Lage sein, ihre Kinder zu trösten, indem sie sagen: ‘Alles wird gut; es ist nicht das Ende der Welt, und wir tun unser Bestes.’ Aber ich glaube nicht, dass sie das noch zu uns sagen können. Stehen wir überhaupt auf eurer Prioritätenliste?
Mein Vater sagt immer: ‘Du bist, was du tust, nicht was du sagst.’ Nun, was ihr tut, bringt mich nachts zum Weinen. Ihr Erwachsenen sagt, ihr liebt uns. Aber ich fordere euch auf, euren Worten Taten folgen zu lassen.“
Das waren die Worte der damals zwölfjährigen Severn Cullis-Suzuki auf der ersten Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, die vom 3. bis 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro stattfand. Die insgesamt sechsminütige Rede ist heute noch beeindruckend. Ein Ergebnis der Konferenz damals: drei völkerrechtlich verbindliche Konventionen zum Klimaschutz.
Mehr als 30 Jahre später findet derzeit in Dubai die 28. UN-Klimakonferenz statt, kurz COP28. Das steht übrigens für „Conference of the Parties“, und mit den Parties sind die 197 beteiligten Staaten gemeint. Die Konferenzen finden seit 1995 – pandemiebedingt mit Ausnahme des Jahres 2020 – jedes Jahr in einer anderen Stadt statt.
Der Gastgeber dieser Konferenz: Sultan Ahmed Al Jaber. Anders als Severn Cullis-Suzuki verfolgt er eine – wenn auch schlecht – versteckte Agenda. Der Minister für Industrie und Fortschrittstechnologien (ein Wort, das fast nach Anführungszeichen schreit) der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ist gleichzeitig CEO der staatlichen Ölgesellschaft des Landes, Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Das Land will laut Berichten von BBC und New York Times die Konferenz auch dazu nutzen, Öl zu verkaufen. ADNOC ist der weltweit zwölftgrößte Ölproduzent.
Von der Konferenz selbst gibt es trotzdem auch Positives zu berichten: Der schon lange diskutierte Fonds zum Ausgleich von Klimaschäden der ärmsten Länder der Welt kommt endlich ins Rollen – und zwar durch eine Zusage von Deutschland und dem Gastgeberland VAE über 200 Millionen US-Dollar (etwa 183 Millionen Euro). Während die ärmsten Länder des globalen Südens am stärksten unter der Klimaerhitzung leiden werden, wurde sie von ihnen am wenigstens verursacht, wie ein Blick auf diese animierte Grafik sehr deutlich macht. Die bisher zugesagten Beträge für den Fonds sind zwar nur ein winziger Bruchteil dessen, was eigentlich nötig wäre, trotzdem gilt es als Erfolg, dass die Länder sich nach zähem Ringen auf den Start des Fonds und seine Ausgestaltung einigen konnten.
Was steckt hinter dem Klima-Club von Olaf Scholz?
Unser bislang eher blasser Bundeskanzler Olaf Scholz fällt außerdem mit dem Werben für einen Klima-Club bei COP28 auf. 36 Staaten haben sich mittlerweile dafür zusammengeschlossen, um eine Vorreiterrolle einzunehmen – auf Vorschlag von Scholz. Der Club ist eine bunte Mischung, darunter die sieben G7-Industriestaaten (USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada), die EU und Entwicklungsländer wie Kenia und der Inselstaat Vanuatu.
Ziel des Clubs ist vor allem, die sogenannte Carbon Leakage zu verhindern. Das bedeutet: Wer Klimaschutzmaßnahmen ergreift und umsetzt, soll nicht befürchten müssen, dass deshalb emissionsintensive Industrien wie beispielsweise die Stahlbranche in ein Länder mit weniger strenger Regulierung abwandern. Um das zu erreichen, will der Klima--Club Regeln, Standards und CO2-Steuern harmonisieren.
Parallel arbeitet auch die Europäische Union als Ganzes daran, Carbon Leakage – also das Abwandern von Industrie als Flucht vor Klimaschutzstandards – zu verhindern. Dafür wurde das Europäische CO2-Grenzausgleichssystem beschlossen, das seit dem 1. Oktober 2023 schrittweise ausgerollt wird – auf Englisch: Carbon Border Adjustment Mechanism. Allerdings wird die Wirksamkeit des Mechanismus von vielen Expert*innen und auch Scholz angezweifelt, weil er extrem komplex ist und vermutlich allein deshalb auf wenige Güter beschränkt bleiben wird.
Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, dem empfehle ich den Artikel „Was ist der Klimaclub von Olaf Scholz?“ bei cleanthinking.de.
War sonst noch was?
Zwei russische Whistleblower verhinderten, dass Wladimir Putin Deutschland ins Chaos stürzte. „Die Russen übergeben den Managern einen Liquidationsbeschluss. Gazprom Germania soll dichtgemacht werden. Das ausdrückliche Ziel dieses Schritts: Hunderte Stadtwerke in Deutschland von der Versorgung mit russischem Gas abzuklemmen.“ Das Ziel: „größtmöglichen wirtschaftlichen Schaden“ in Deutschland. (Handelsblatt, Paywall)
Die Ampelregierung und Bundesverkehrsminister Volker Wissing wollten die Vorgaben aus dem Gesetz für den Klimaschutz für den Verkehrssektor mit Ansage missachten – obwohl ausgerechnet dort seit 1990 die mit Abstand wenigsten Fortschritte im Vergleich zu allen anderen im Klimaschutzgesetz definierten Sektoren gemacht wurden. Umweltverbände klagten und bekamen nun vom Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg recht: die Bundesregierung muss zusätzliche Sofortmaßnahmen beschließen, um die Klimagase aus Verkehr und Gebäuden zu drücken. (n-tv)
Bislang ist Deutschland stark abhängig von Solartechnik aus China, heimische Hersteller tun sich schwer. Nun versprechen große Dienstleister wie Enpal oder 1Komma5°, verstärkt europäische Komponenten anzubieten. (DER SPIEGEL)
Mehr als die Hälfte der Geflüchteten, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland kamen, haben inzwischen einen Job. Eine Studie zeigt: Sie arbeiten zunehmend als Fachkräfte. (DER SPIEGEL)
Die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur (dena) hat ihren Gebäudereport 2024 veröffentlicht. Demnach dominiert bei Neubauten von Wohngebäuden seit 2021 die Wärmepumpe als Energieträger mit einem Anteil von über 50 Prozent, gefolgt von Gas und Fernwärme. Allerdings ist der Weg zur Klimaneutralität im Gebäudesektor noch weit: Der Anteil der installierten Wärmepumpen im gesamten Gebäudebestand für Heizung und Warmwasser liegt lediglich bei 7,3 Prozent. (dena)
Außerdem gab es in dieser Woche eine neue dena-Studie, die zeigt, dass Peer-to-Peer (P2P)-Stromhandelsplätze (also der Handel von Strom zwischen Privathaushalten) bis 2030 erhebliche Vorteile für Verbraucher*innen, Umwelt und Wirtschaft schaffen können. Durch Solarmodule auf dem Dach, E-Auto in der Garage, Wärmepumpe und Stromspeicher wird unser Stromnetz zunehmend dezentral. (dena)
Laut der Vermögensverwaltung Pictet eröffnet die globale Transformation in Richtung erneuerbarer Energien große Chancen für Privatanleger*innen – insbesondere für Investements in Smart-Grid-Lösungen. „Um Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien ans Netz zu bringen, sind umfangreiche Investitionen in intelligente Netztechnologie erforderlich. Denn im Gegensatz zu fossilen Energieträgern, die einfach je nach Bedarf durch das Netz gepumpt werden, können Wind- und Sonnenenergie nur dann erzeugt werden, wenn die Bedingungen stimmen.“ (pictet.ft.com)
Solarparks können bei guter Planung nachweislich die Artenvielfalt zwischen und unter den Modulreihen erhöhen. Eine Studie des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne) von 2019 dazu wird nun fortgesetzt, und der bne startet bundesweite Felduntersuchungen. (Pressemitteilung bne)
Plastikverschmutzung durch Zigarettenstummel und -verpackungen verursacht Kosten von weltweit ca. 26 Milliarden Dollar pro Jahr. (wissenschaftliches Paper bei eurekalert.org)
Die Bundesförderung für die bei Heide geplante Batteriefabrik des Unternehmens Northvolt steht. Trotz der Haushaltssperre sollen die Mittel nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein freigegeben werden. (NDR)
Viele Wagniskapitalgeber investieren lieber in Software als Hardware, weil Hardware komplex, teuer, oft schwerer zu skalieren und die Entwicklung bis zur Marktreife oft langwieriger ist. Ein Fehler, schreibt Hendrik Brandis, Partner und Co-Gründer von Earlybird Venture Capital. Denn: „Investitionen in den Hardware-Sektor sind gut für das Klima und für die Wirtschaft.“ (Gastartikel WiWo)
Laut dem globalen Think Tank Ember benötigt Indien zusätzliche Investitionen von 394 Milliarden US-Dollar, um bis 2030 sämtliche Energie des Landes klimaneutral bereitzustellen. Das wären 65 Milliarden Dollar pro Jahr. 2021 hatte Indien eine Wirtschaftsleistung von ca. 3,2 Billionen Dollar. (Ember Climate)
Der weltweite Absatz von Elektrofahrzeugen ist auf Kurs zu einem neuen Rekordjahr. Rund 14 Millionen E-Autos werden voraussichtlich im Jahr 2023 verkauft werden, ein Plus von 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. (Bloomberg)
Wie wollen wir leben?
Wie sieht der beste Weg zum Klimaschutz aus? Das deutsche Klimaschutzgesetz sieht dafür Sektorziele vor. Verschiedene Branchen und Bereiche wie der Verkehr oder Gebäude bekommen Ziele zur Emissionseinsparung gesetzt und müssen diese erreichen. Beschlossen hatte das 2019 die Regierung Merkel unter CDU/CSU und SPD. Der Vorteil dieser Regelung: Jeder Sektor weiß, auf welche Emissionseinsparungen er hinarbeiten muss, damit die Klimaziele insgesamt erreicht werden und kann damit planen.
Die Ampelregierung und auch Wirtschaftsforscher wie Clemens Fuest halten diesen Ansatz für falsch. Sie sagen es sei sinnvoller, ohne Sektor-Unterscheidung immer dort Emissionen einzusparen, wo das gerade am günstigsten und effizientesten möglich ist. Das soll durch den CO2-Zertifikatehandel möglichst effizient passieren. Dafür müssten ihr Preis allerdings deutlich höher sein.
So können Emissionen im Bereich Energie beispielsweise durch den Ausbau von Wind- und Sonnenkraft deutlich schneller heruntergefahren werden als in einem Bereich wie Vekehr, der aktuell noch sehr stark von Verbrennungsmotoren dominiert wird.
Insbesondere Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte immer wieder deutlich gemacht, dass er trotz immer wieder verfehlter Ziele des Verkehrssektors keine zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen ergreifen wolle.
Das könnte sich jetzt ändern. Gegen die Weigerung der Bundesregierung, Klimaschutzsofortprogramme in den Sektoren Verkehr und Gebäude aufzulegen, hatten mehrere Umweltverbände geklagt und vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Recht bekommen. Die Bundesregierung muss demnach zusätzliche Sofortmaßnahmen beschließen, um die Klimagase aus dem Verkehrs- und Gebäudesektor zu drücken. Allerdings besteht noch die Möglichkeit der Revision.
War sonst noch was?
Studierende sollen künftig ein bundesweit einheitliches Deutschlandticket bekommen – für 60 Prozent des regulären Preises. Starten könnte das neue Angebot zum Sommersemester. (DER SPIEGEL)
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium spricht sich in einem Gutachten für weitreichende Anpassungen der Schuldenbremse aus. Investitionen sollen dem Vorschlag zufolge generell nicht mehr unter die Schuldenregel fallen. (Handelsblatt)
Die Weltgesundheitsorganisation WHO verspricht bei hohen Alkoholsteuern steigende Staatseinnahmen und gerettete Menschenleben. „Steuern, die den Preis von Alkohol um 50 Prozent erhöhen, helfen über 50 Jahre, 21 Millionen Todesfälle zu verhindern, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2017.“ Besonders kritisch: 22 überwiegend europäische Länder erheben gar keine Verbrauchssteuer auf Wein. (DER SPIEGEL)
In Kooperation mit der gemeinnützigen Umwelt-Förderorganisation Olin gGmbH vergibt das Netzwerk Recherche Stipendien für Rechercheprojekte im Bereich Umwelt/Ökologie. Ein Stipendium ist auf maximal 5.000 Euro begrenzt. (Netzwerk Recherche)
Die Stadt Detroit im US-Bundesstaat Michigan wird in diesem Jahr die niedrigste Mordrate seit fast 60 Jahren verzeichnen. Die Daten der Polizei von Detroit zeigen auch einen Rückgang anderer Straftaten im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres, zum Beispiel 13 Prozent weniger nicht-tödliche Schießereien oder ein Rückgang von 36 Prozent bei Autodiebstählen. Zu beachten ist allerdings auch, dass 1966 rund 1,6 Millionen Menschen in Detroit lebten – heute sind es noch rund 620.000. (Detroit Free Press)
Wo gibt es Fortschritte?
Solarmodule sind so günstig wie noch nie. Die Analyst*innen von BloombergNEF erwarten daher, dass der Photovoltaik-Zubau weltweit 2023 um 58 Prozent auf 413 Gigawatt steigt. (PV Magazin)
Auch Batteriespeicher werden immer günstiger und sind inzwischen so billig, dass 68 geplante Gaskraftwerke gestoppt wurden. (Reuters, Englisch)
Ritter Sport möchte bis zum Jahr 2030 seine Emissionen drastisch reduzieren und einen Großteil des Strombedarfs mit regenerativer Energie decken. Dafür hat sie Anlagen in Bayern gekauft. (Stuttgarter Zeitung)
Günstigere Mikroskope könnten Protein-Mapping für die breite Masse zugänglich machen. Forschende haben ein Tieftemperatur-Elektronenmikroskop vorgestellt, mit dem sich Proteinstrukturen weitaus kostengünstiger untersuchen lassen als mit bisheriger Technik. (science.org)
Eine KI kann vorhersagen, wann die nächste Springflut auftreten wird. Forschende haben dafür eine KI auf der Grundlage von Meeresdaten aus 700 Jahren trainiert. (livescience.com)
Ein neues Gerät der Schweizer Universität EFPL sammelt CO2 aus Lkw-Abgasen, verflüssigt es und macht es anschließend nutzbar – zum Beispiel als Dünger, Baustoffe, für die Lebensmittelproduktion, als Lösch- und Kältemittel oder in Form synthetischer Kraftstoffe. (Futurezone.at)
New York will Tausende Bäume pflanzen und dabei eine neue Technologie einsetzen, um die Wirkung der Blätter zu maximieren. (The Guardian)
Heizen in Hamburg soll klimafreundlicher werden. Deshalb testet der städtische Betreiber Gasnetz Hamburg derzeit, ob seine Stadtgasleitungen auch für Wasserstoff geeignet sind. (NDR)
Das KI-Unternehmen Google Deepmind hat ein neues Deep-Learning-Tool entwickelt, das zahlreiche mögliche neue Materialien für Supraleiter oder Akkus errechnen kann. (Golem)
Schnitzel aus CO2: Aus Kohlenstoffdioxid, Wasserstoff, Stickstoff und erneuerbarer Energie macht das niederländische Startup Farmless ein essbares Protein. Nun hat unter anderem unser Kunde World Fund investiert. Hintergrund: Nur rund 18 Prozent der Kalorien, die wir Menschen zu uns nehmen, stammen aus tierischen Produkten. Gleichzeitig benötigt die Produktion genau dieser Produkte 83 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. (Gründerszene)
Bei der Herstellung von Zement wird sehr viel CO2 ausgestoßen. Fortschritte waren lange kaum zu erkennen. Ein Forschungsteam aus Luxemburg, Frankreich, Belgien und Trier hat nun aber vielleicht eine Alternative zum klimaschädlichen Zement gefunden – in einem Weiher in der Eifel. (SWR)
Fundstücke der Woche
Ein aktueller Trendsport im Internet ist, ein Bild vom KI-Tool Dall-E erstellen und anschließend immer übertriebener zeichnen zu lassen. Hier im X-Thread beispielsweise ein München-Klischee, das schnell sehr wild wird – oder ein bayerischer Politiker, den die KI immer bayerischer macht.
Ebenfalls bemerkenswert: diese mit KI erstellte „Adidas-Werbung“, die angeblich während einer Kaffeepause erstellt wurde.